Gastausstellung:
„früher und später sind (ungefähr) gleich lang“
Villa Renata, Basel
11.3.23 bis 9.4.23
Wenn das Archiv Blüten treibt: früher und später sind (ungefähr) gleich lang
Am Ende der Zeit sei er noch lange nicht angekommen, sagt Andreas Frick und fragt zurück: „Was wäre überhaupt ein Ende?“ Frick ist nicht nur ausstellender Künstler, sondern erfüllt in diesem Fall eine Doppelrolle: Er agiert zusätzlich als Kurator der Ausstellung „früher und später sind (ungefähr) gleich lang“, die am 11.03.2023 in der Villa Renata in Basel Vernissage feiert. Der poetisch anmutende Titel lässt sich zum Thema entschlüsseln: Um Erinnerung geht es. Genauer gesagt um die Erinnerung als künstlerisches Verfahren, auch um den Selbstbezug zu früheren Werken, um das Archivieren, Reflektieren und Auseinandernehmen.
Die sechs sehr unterschiedlichen Ausstellenden zeigen nicht nur ihre ganz eigenen Stile, sondern spiegeln damit auch die allgemeine Individualität der Zeitwahrnehmung wider. In der Vielfältigkeit der Abbildungen und Interpretationen löst sich allmählich die Komplexität des Themas. Es bleibt das Anekdotische. Die Erinnerungsstücke sind nicht immer gleich zugänglich, eine Einordnung in das Leben der Künstler:innen kann den Besucher:innen nur verwehrt werden. Warum steht dort dieser Satz? Warum sieht man hier diese Farbe? Sind wiederkehrende Motive wie Spiegel als Angelpunkte gedacht?
Die eigene Ratlosigkeit lässt einen gleichsam versöhnlich zurück. Denn in diesen Fragen wird eigentlich das Thema der Ausstellung treffend aufgegriffen – eben nicht nur in den Werken, sondern im Erlebnis der eigenen Betrachtung. Die Einordnung wird, von Künstler:innen wie von Besucher:innen, immer eine persönliche, eine subjektive und eine vorbelastete sein. Und ist das nicht auch wirklich alles was an Erinnerung bleibt? Der eigene Blick und der Versuch einer Einordnung?
Die Ausstellung wirkt dabei weder melancholisch noch nostalgisch. Die Künstler:innen sind sich der eigentlichen Schwere einer solchen Fragestellung bewusst und antworten mit Lakonismus, manchmal gar mit Leichtigkeit. Ein massiver Bleistift, der gespitzt wird, ein Gartenhaus, das spricht, ein Tisch voller Andenken. „Das Romantische soll gestört werden.“, erklärt Frick: „Wie wenn man eine Treppe hochschleichen will und dann ein Treppentritt so komisch knarzt.“
Einige Arbeiten sind sozusagen reaktiviert, kommen aus anderen Kontexten und Lebensabschnitten der Ausstellenden. So beschreibt Susanne Roth eine Arbeit aus frühen Studienzeiten als „Annäherung ans Quadrat“, eine Form, die ihr Schaffen seit Langem maßgeblich beeinflusst. Diese Reanimation wirkt transformatorisch und passt damit perfekt zum Ausstellungsort: Die Villa Renata war einst Familienwohnhaus, dann Ingenieurbüro. Nun ist es ein Kunstort, ein Ausstellungsraum und ein Nährboden für Schneeglöckchen und fixe Ideen.
Das kann auch Ariana Emminghaus bestätigen: In einer Residenz verfasste die Autorin unterschiedliche Texte zu der Ausstellung, inspiriert vom Ort, von Atelierbesuchen, von Lektüren und Gesprächen. Auch hier wirkt die Erinnerung ausschnitthaft. Namen und Sprechende tauchen auf, Situationen und Erfahrungen werden behauptet. Nicht jeder Text bezieht sich direkt und klar erkennbar auf eine:n Ausstellende:n, es gibt auch allgemeine und abstrakte Bezüge. Manches scheint ein Rückblick zu sein, nicht immer ist klar, worauf genau. In diesem Fanzine funktionieren die Texte als Fenster in vielfältige Lebens- und Gefühlswelten, arbeiten aber auch mit Verschiebungen und Fiktion. „Das ist ja auch ein typischer Trick, den die Zeit uns spielt“, erklärt Emminghaus, „am Ende gibt es keine Erinnerung im leeren Raum“.
Am Ende der Zeit? Was haben wir eingangs auch für eine dumme Frage gestellt, denken wir uns und freuen uns, dass die Ausstellung noch bis 09. April geöffnet ist.
Ariana Emminghaus, Auszug aus Fanzine „Texte zur Ausstellung - früher und später sind (ungefähr) gleich lang“, 2023
Teilnehmende Künstler:innen:
Ilse Ermen, Susanne Roth, Rut Himmelsbach, Jürg Stäuble, Alex Silber und Andreas Frick
Gast: Die Schriftstellerin Ariana Emminghaus
Kuratiert von Andreas Frick
Es sind verschiedene Rahmenveranstaltungen geplant.
Werkangaben zum Flyer Foto:
Jürg Stäuble
Zick-Zack, Spiegelkante, 1978
Spiegelglas,
Grösse variabel
Installation anlässlich der Retrospektive (Gedenkausstellung) von Hani Bäbler, ergänzt mit Werken befreundeter Künstler*innen in der Villa Renata Basel, 2014.
Ausstellungsfotos: Daniel Spehr